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Subject: interview mit Teiar
From: geert@xs4all.NL (Geert Lovink)
Date: 3 Jul 1997 16:26:31 +0200


* * * * *

Markus Goette ( Kreuzbergring 81 ( 37075 Goettingen
Tel&Fax 0551/45922 E-Mail: m.goette@link-goe.de

Interview mit Salah Teiar, gefuehrt am 17. Juni 1997 in Goettingen:=20

Zur Person:=20

Salah Teiar ist einer der Sprecher der Nationalen Koordination der
"Sans-Papier" - (Ohne Papiere) in Paris. Als 24-jaehriger ist er 1983 von
Algerien nach Frankreich gekommen, um dort zu studieren und, um den
Militaerdienst in Algerien zu entgehen. In Frankreich studierte er
Geschichte, seit 1992 hat er keine Papiere mehr.



Frage: Herr Teiar, sie sind einer der Sprecher der Nationalen Koordinatio=
n
der "Sans Papier" in Paris. In Deutschland wuerde man sagen, sie sind
Sprecher einer Bewegung von Klandestinen, einer Organisation von
MigrantInnen, die aus ihrer Illegalitaet an die OEffentlichleit getreten
sind. Gegen diesen Titel wehren sie sich jedoch. Warum?

Salir Teiar: Klandestiner oder Illegaler genannt zu werden, das ist eine
Beleidigung. Das ist so, als ob man unsichtbar waere. Wir leben nicht im
Untergrund, wir leben inmitten der Gesellschaft. Dass wir unseren Namen
""Sans-Papier"" - Ohne Papiere - ueberall durchgesetzt haben, werte ich
deshalb als ersten Erfolg unseres Kampfes. Uns will man aus der
Gesellschaft per Gesetzesdefinition ausschliessen, das lassen wir uns
nicht bieten. Wir sind nicht illegal, nein, man gibt uns "nur" keine
Papiere. Keine Aufenthaltsgenehmigung oder keinen franzoesischen Pass.

Frage: Trotzdem sind sie aber inkognito unterwegs? Oder wie sonst koennen
sie, so ganz ohne Papiere, nach Deutschland ein- und wieder nach
Frankreich ausreisen?

Salah Teiar: Nein, ohne Papiere waere dies mit einem erheblichem Risiko
verbunden. Ich reise zur Zeit mit einer provisorischen
Aufenthaltsgenehmigung, die drei Monate Gueltigkeit besitzt. Vor Ablauf
muss ich sie wieder verlaengern. Solch ein Papier besitze ich aber erst
seit letztem Herbst. Vorher habe ich vier Jahre ohne Papiere gelebt.

Frage: Wie kam es dazu, dass sie zu einem Menschen "ohne Papiere" wurden,
immerhin haben Sie lange Zeit in Frankreich studiert und eine Familie
gegruendet?

S.Teiar: Die Probleme haben, wie fuer viele "Sans-Papier" in Frankreich
damit begonnen, dass ich meinen Status als auslaendischer Student in
Frankreich aendern wollte. Als Student konnte ich nur einer
Halbtagsbeschaeftigung nachgehen. Das reichte aber nicht aus, um eine
Familie, meine Frau und meine Tochter zu ernaehren. Einen neuen
Aufenthaltstitel als lohnabhaengiger Immigrant verweigerten sie mir
jedoch. Und das, obwohl meine Tochter - als in Frankreich Geborene -
automatisch Franzoesin ist. Selbst meine Frau, die zunaechst als
sogenannte staatenlose Palaestinenserin gefuehrt wurde, hat die
franzoesische Staatsangehoerigkeit 1991 bekommen. Aber ich, als Ehemann
und Vater von franzoesischen Staatsbuergern, ich habe sie nicht bekommen.

Frage: Eine absurde Situation.

S. Teiar: Ja, manchmal war es geradezu kafkaesk. Beispielsweise als ich
ueber das Gesetz zur Familienzusammenfuehrung die franzoesische
Staatsbuergerschaft erlangen wollte: Ich hatte alle Voraussetzungen dazu
erfuellt, ich hatte das erforderliche Geld, ja mehr sogar und auch eine
Wohnung, trotzdem klappte es nicht. Auf der Behoerde fragte mich der
Beamte: "Woher haben Sie das Geld?" "Na, ich arbeite", sagte ich
wahrheitsgemaess. "Aber mein Herr", antwortete der Mann in der Verwaltung=
,
"sie duerfen doch gar nicht arbeiten, das Geld muss von ihrer Frau kommen
und nicht von ihnen. So koennen sie nichts beantragen." So oder aehnlich
ging es immer wieder hin und her. Was juristisch durchaus moeglich ist,
wird durch die Kriterien, die zu erfuellen sind, real verhindert. Mal sin=
d
es die materiellen Voraussetzungen, mal ist es die Groesse der Wohnung,
die der Verwaltung nicht ausreicht. Und sie lehnt das Gesuch ab. Mit
diesem Problem stehe ich nicht allein, das ist das Problem der Eltern abe=
r
auch der Ehepartnern von Franzosen, die den Kampf der "Sans-Papier"
begonnen haben.

Frage: Und irgendwann sind sie nicht mehr zur Behoerde gegangen. Haben
sich dafuer entschieden, ein "Sans papier" zu sein?

S. Teiar: Was heisst hier dafuer entschieden. Ich habe - lassen sie mich
ueberlegen - 1992 aufgehoert, alle drei Monate zum Amt zu gehen, um meine
Aufenthaltsgenehmigung zu verlaengern. Ich hatte die Schnauze voll. Diese=
s
Warten auf der Behoerde, das Schlange stehen, die Befragungen, das hat
mich nervlich belastet, dass ich dann gesagt habe: Bis hierhin und nicht
weiter. Es bewegt sich ja doch nichts. Egal, was ich tue. Nachher bekomme
ich nochmal AErger auf der Behoerde, weil ich mich so aufrege. So bin ich
dann nicht mehr hingegangen.

Frage: In der Bundesrepublik wurde mit grossem Staunen die Aktionen der
Sans Papier" verfolgt. Es wurde und wird demonstriert, Haeuser und Kirche=
n
wurden besetzt und viele andere Aktionen vor laufenden Kameras
inititiiert. Haben sie und ihre FreundInnen denn ueberhaupt keine Angst
vor Abschiebung?

Salah Teiar: Natuerlich, zumal einige, die waehrend der Kaempfe verhaftet
wurden, sofort abgeschoben wurden. Andere sind wegen angeblicher
Straftaten angeklagt und verurteilt worden, mit dem Ergebnis, dass sie 20
Jahre Einreiseverbot nach Frankreich erhalten haben; uebrigens Menschen,
die schon Jahrzehnte in Frankreich leben. Aber das hindert uns nicht zu
kaempfen. Sollen sie uns doch ausweisen oder abschieben. Das nehmen wir i=
n
Kauf. Die Botschaft unseres Kampfes ist doch die, oeffentlich zu sagen:
Seht her, wir werden uns nicht laenger verkriechen. Wir sind aus dem
Schatten ans Tageslicht getreten. Wir werden nicht laenger die Opferrolle
spielen. - Aber, ich gebe ihnen recht, die Situation der "Sans Papier" is=
t
mit den Menschen, die ohne Papiere in der BRD leben, wohl nicht eins zu
eins zu vergleichen.=20

Frage: Nochmal zurueck, wie sieht es bei Ihnen persoenlich aus, haetten
sie abgeschoben werden koennen?

S. Teiar: Ich - wie noch einige andere - lebe in der paradoxen Situation:
Einerseits kann ich nicht ausgewiesen werden, andererseits kann ich aber
auch keine franzoesische Staatsbuergerschaft bekommen. Eine komplizierte
Gemengelage von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Abkommen mit
Algerien sind der Grund dafuer.

Frage: ImmigrantInnen aus Mali und dem Senegal haben die Bewegung der
"Sans-Papier" mit der spektakulaeren Besetzung der Pariser Kirche St.
Ambroise im Fruehjahr 1996 in die OEffentlichkeit gebracht. Wie und wann
sind sie dazugestossen?

S. Teiar: Nachdem ich ueber das Radio und Fernsehen von der Besetzung
erfahren habe, bin ich gemeinsam mit anderen Leuten sofort hingefahren, u=
m
zu gucken, was dort passiert. Wir haben mit den BesetzerInnen diskutiert
und waren begeistert. Mitmachen konnten wir aber nicht mehr. Es gab
sozusagen einen Aufnahmestopp. Das hatte das erste Kollektiv der "Sans
Papier", das der 300, beschlossen. Stattdessen haben sie uns aufgefordert=
,
eigene Gruppen zu gruenden.

Frage: Und das haben sie dann auch gemacht.

S. Teiar: Ja, drei Wochen spaeter gruendeten wir in meinem
Department/Verwaltungsbezirk, Valle de Marne, in der Region von Paris ein
eigenes Kollektiv der "Sans-Papier". Rund um Paris entstanden in dieser
Zeit mehrere, eines in St. Denis, in Eveline etc.=20

Frage: Im ersten Kollektiv, das die Kirche besetzt hatte, organisierten
sich vor allem Menschen aus Afrika. In einem anderen haben sich
mehrheitlich ChinesInnen zusammengeschlossen. Bedeutet das, dass sich all=
e
nach Nationalitaeten getrennt versammelt haben?

S. Teiar: Nein. Im ersten Kollektiv der 300 haben sich ueberwiegend Leute
aus Mali und Senegal. Das war den Kommunikations- und Beziehungsstrukture=
n
untereinander geschuldet. Daraufhin organisierten sich Eltern von Kindern
mit franzoesischer Staatsbuergerschaft, zu denen Menschen aus der
chinesischen Community stiessen. Die ueberwiegende Zahl der Kollektive
haben sich jedoch innerhalb der einzelnen Verwaltungsbezirke gegruendet.
Mehr als 20 sind es allein in der Region Paris. Die "Sans-Papier", das
sind Menschen aus mehr als 50 Nationen, Menschen von den Kapverdischen
Inseln, aus China, aus Algerien, der Tuerkei usw.=20

Frage: Zunaechst hiess es, die "Sans-Papier" und insbesondere die
BesetzerInnen der Kirche seien dazu von politischen Organisationen von
Gruppen angestiftet worden. Das behauptete zumindest der Kardinal der
Kirche St. Ambroise.

S. Teiar: Niemand ist manipuliert worden. Wir haben immer unabhaengig und
selbstbestimmt gehandelt. Ganz im Gegenteil: Unterstuetzungsgruppen haben
zu Beginn immer wieder gebremst und davor gewarnt, solche Sachen wie eine
Besetzung zu machen. Sie haben versucht, die Bewegung zu maessigen und
gewarnt: Ihr duerft euch nicht radikalisieren, ihr muesst sehr
zurueckhaltend sein. Damit erreicht ihr mehr. Dennoch gibt es Unterschied=
e
zwischen den einzelnen Gruendungsgeschichten der Kollektive. In einigen
haben die traditionellen Unterstuetzungs- und Hilfsorganisationen fuer
Auslaender eine groessere Rolle gespielt. Das hat aber auch viele Problem=
e
geschaffen.

Frage: Wollten die Ihnen vorschreiben, was Sie zu tun haben?

S. Teiar: Zumindest haben sie nichts unversucht gelassen, eine leitende
oder fuehrende Rolle in der ganzen Bewegung spielen zu koennen. Schon im
Juni vergangenen Jahres, also kurz nach Gruendung unseres Kollektivs, gab
es ein Treffen der "Sans-Papier" - bewusst ohne Unterstuetzergruppen - au=
s
der Region Paris, der Ile de France, um sich nicht nur ueber das weitere
Vorgehen zu verstaendigen, sondern auch um unser Verhaeltnis zu den
Hilfsorganisationen zu klaeren. Dass sich die Hilfsorganisationen auf die
Unterstuetzungsrolle zu beschraenken haben, darin waren wir uns einig. In
den Gremien, die wir bilden, da haben sie nichts zu suchen. Wir nehmen
unsere Sache selbst in die Hand, ohne dass uns da jemand hineinredet.

Fragen: Welche Organisationen haben ihnen denn AErger gemacht?

S. Teiar: Namen moechte ich keine nennen. Ich moechte keine Gruppe
blossstellen oder schlecht machen. Das tut nichts zur Sache. Nur soviel:
Es hat diese Probleme gegeben und noch andere. Beispielsweise gab es
Gruppen, die auf den fahrenden Zug aufspringen wollten. Dachten, dass sie
bei uns Mitglieder werben, ihre Organisation vergroessern und natuerlich
Gelder fuer ihre Organisation sammeln koennten. Das war jedoch noch
harmlos gegenueber den Gruppen, die sich erdreisteten, Profit aus unserer
Notlage zu schlagen: Obskure Vereine meldeten sich bei einzelnen
Kollektiven und versprachen, gegen Geld bei der Legalisierung der
"Sans-Papier" zu helfen. Die Erstellung eines Dossiers zur Legalisierung
fuer die Praefektur sollte einmal 700, ein anderes mal 4000 Francs pro
Person und Dossier kosten.

Frage: Und wie haben sich die Parteien, insbesondere die Gruenen und die
Kommunisten verhalten: Wollten die auch in irgendeiner Form von ihrem
Kampf profitieren?

S. Teiar: Hier war es eher umgekehrt. Eigentlich sind wir es gewesen, die
die Unterstuetzung und Solidaritaet von ihnen eingefordert haben. Wir
haben Flugblaetter verteilt, die die Linke in ihrer Haltung zu Immigrante=
n
und den "Sans-Papier" kritisiert. Wir haben sie verbal attackiert, und di=
e
Parlamentsmitglieder der linken Parteien angeprangert, die bei der
Verabschiedung des Debr=82gesetzes nicht anwesend waren und nicht dagegen
gestimmt haben. Das hat ein Echo gefunden. Am naechsten Tag sind sie
gleich reihenweise bei uns ins Buero gerannt, haben uns die Haende
geschuettelt und gesagt, das ist doch nicht ernst, was ihr da schreibt,
oder? Und dabei immer wieder versichert: Natuerlich sind wir auf eurer
Seite.

Frage: Das heisst, die Unterstuetzung von den Parteien der Gruenen und de=
r
Kommunisten, den jetzigen Regierungsparteien, mussten sie sich erkaempfen.
Ohne Druck ihrerseits gab es keine Unterstuetzung und keine Solidaritaet?

S. Teiar: Im Prinzip, ja. Das ist einfach so. Um in unserem Kampf
voranzukommen, muessen wir uns immer wieder neue Taktiken ueberlegen, mit
der wir sie zu weiterer Unterstuetzung draengen. Das ist nie ein stabiles
Verhaeltnis zwischen uns und den Parteien gewesen. Unsere Beziehung
zueinander veraendert sich laufend. Nur wenn wir muessen uns selbst
bewegen, koennen wir Dinge in Gang setzen. Wenn wir Druck ausgeuebt haben=
,
sind sie gekommen und haben mit uns diskutiert. Es hat zum Teil aufgeregt=
e
Debatten gegeben, ueber unsere und ihre Positionen, aber, was dann als
Ergebnis herauskam, auch wenn es manchmal ein Kompromiss war, war doch ei=
n
Kompriss, dem wir unseren Stempel aufgedrueckt haben. Darauf sind wir
stolt. Das haben sie akzeptieren muessen. Und das hat bisher geklappt.

Frage: Und jetzt, nach dem Wahlsieg der Koalition aus Sozialisten,
Buergerbewegung, Kommunistischer Partei und Gruenen, helfen Ihnen die
Kontakte und Solidaritaetsbekundungen?

S. Teiar: Das werden wir sehen. Die Kontakte mit den Gruenen und den
Kommunisten bestehen weiter. Sie versichern uns, dass sie auf unserer
Seite sind. Auch auf hoechster Ebene wurde uns dies von Personen, die
selbst in der Regierung mit drin sind, gesagt. An die grosse Glocke
gehaengt haben wir es trotzdem nicht. Momentan haben wir zwei wichtigere
Probleme. Erstens: Die Apparate der Parteien insgesamt muessen dafuer
gewonnen werden, unsere Arbeit zu unterstuetzen. Zweitens: Wir muessen
einen Umgang, eine Gespraechsebene mit der Regierung finden. Dass diese
Regierung eine Koalitionsregierung ist, dass innerhalb der
Koalitionspartner verschiedene Positionen austariert und ausgehandelt
werden muessen, das macht die Durchsetzung unserer Ziele nicht gerade
einfach.

Frage: Mit anderen Worten, die Sozialisten als groesster Block sind ihr
groesstes Problem?

Salah Teiar: In der Tat, Jospin und die Seinen haben seit Beginn der
Kaempfe eine misstrauische Haltung uns gegenueber eingenommen. Obwohl es
Kontakte gegeben hat, ist es uns nicht gelungen, dort unseren Einfluss
geltend zu machen, und sie auf unsere Seite zu bringen. Derzeit sagen
sie: Wir werden sehen, ob wir euch auf lokaler Ebene unterstuetzen. D.h.
auf der nationalen Ebene wird nicht viel passieren. Auf nationaler Ebene
fuehren die Sozialisten sehr rueckschrittlich hauptsaechlich die Familie
und die Familienzusammenfuehrung ins Feld, wenn sie ueber Migration reden.
Als ob sie die ganze Problematik der "Sans-Papier" darauf reduzieren
wollten. Da ist noch viel Arbeit zu tun.

Frage: Sie haben ehrgeizige Ziele formuliert, eine neue
Einwandererpolitik, neue Immigrationsgesetze und - natuerlich -
Forderungen nach Papieren fuer alle gestellt. Glauben sie, dass dies
realistisch ist?

S. Teiar: Wir geben uns keinen Illusionen hin, die Abschaffung der Gesetz=
e
aus der AEra der konservativen Regierung, das geht den legislativen Weg.
Wenn ein solches Verfahren schnell ablaeuft, kann es drei Monate dauern.
Es kann aber auch laenger dauern, ein halbes Jahr, ein Jahr vielleicht
sogar Jahre. Aber wir wollen natuerlich nicht nur, dass sie abgeschafft
werden. Es duerfen auch keine neuen Gesetze verabschiedet werdem, die
vielleicht ein bisschen besser fuer uns sind. Nein, es muss ganz neu uebe=
r
Immigration nachgedacht werden. Dahin wollen wir kommen. Zu einem neuen
Verstaendnis von Immigration, damit wir langfristig zu vollkommen anderen
Bestimmungen und Regelungen kommen koennen. Die Einwanderergesetzgebung
muss unter einem ganz neuen Gesichtspunkt gestaltet werden. Wir muessen
dahin kommen, dass Immigration nicht als etwas Negatives, zu
Kontrollierendes betrachtet wird. Dass Immigration in Frankreich immer
gegeben hat, dass es gerade die Immigration war, die zum Reichtum dieses
Landes beigetragen hat, das muss allen klar gemacht werden. Dann koennen
wir einiges aendern.

Frage: Gut, das sind ihre Fernziele, welches sind ihre kurzfristigen
Ziele, die sie erreichen wollen?

S. Teiar: Auf ein progressives Einwanderungsgesetz koennen wir nicht
warten, da haben Sie Recht. Das kann Jahre dauern. Unsere Nahziele sind,
zum einen die sofortige Aussetzung der Abschiebungen. Es kann nicht sein,
dass neue Gesetze auf den Weg gebracht und neue Regelungen geplant werden=
,
waehrenddesssen Leute weiter kontrolliert, gefangen genommen und spaeter
abgeschoben werden. Zum anderen fordern wir eine breite Legalisierung der
"Sans-Papier". Unsere Situation, in der wir leben, ist unertraeglich. Auc=
h
und gerade fuer die Leute, die kaempfen. Wir leben am Existenzminimum. Ic=
h
selbst habe seit 1994 keine Arbeit mehr. Trotzdem muessen wir uns
durchschlagen. Das ist eine Situation, die nicht ewig waehren kann. Wir
koennen nicht sagen, warten wir noch ein halbes Jahr oder Jahr, wie es
dann aussieht. Einiges muss sofort geaendert werden. So geht es nicht
weiter.

Frage: Gibt es Anzeichen fuer einen Lichtblick, fuer eine Veraenderung?

S. Teiar: Ja, es gibt erste Zeichen. Es wird Legalisierungen geben. Am
zehnten Juni hat die Regierung Legalisierungen angekuendigt. Sie nennt da=
s
eine erneute Pruefung der vorliegenden Dossiers fuer Einzelfaelle. Diese
sollen anhand von sechs Kriterien ueberprueft werden. Sie orientieren sic=
h
dabei an den Forderungen der Liga fuer Menschenrechte. Der Schwerpunkt
liegt dabei auf Familien, Studenten, Kranke, Asylbewerber. Das reicht uns
aber nicht. Mit solch einem Minimum an Zugestaendnissen koennen wir uns
nicht zufrieden geben. Zumal: Die Verwaltungen in den Kommunen die
Einzelfaelle zu pruefen haben. Und die sind oft nicht kooperativ und gege=
n
uns eingestellt. Das kann es nicht gewesen sein. Wir bleiben bei unserer
grossen Forderung, einer allgemeinen grossen Legalisierung, die nicht an
solch wenige Kriterien gebunden ist, wie sie die Regierung jetzt
vorgeschlagen hat.=20

Frage: Aber was wollen sie tun, oder besser, was koennen sie denn
ueberhaupt tun?

S. Teiar: Wir sagen der Regierung schon jetzt: Wir werden weiter Menschen
fuer unseren Kampf mobilisieren. Wenn sie uns die Loesung unserer
dringendsten Probleme nicht zusichert, wird sie in Kuerze ganz schoen in
Schwierigkeiten kommen. Nicht nur wir werden sie ihr machen. Sowohl mit
den eigenen engagierten Anhaengern, als auch mit den Teilen der zivilen
Gesellschaft, die die Koalition an die Macht gebracht haben, die sich fue=
r
uns eingesetzt haben, werden sie AErger bekommen. Unser Kampf hat gezeigt=
,
dass wir nicht allein sind. Eine breite Solidaritaetsbewegung traegt uns
und unsere Kampagne. Das haben unsere Demonstrationen gezeigt. Am Anfang
waren wir dreihundert, vor ein paar Monaten waren wir mit ueber
hunderttausend Menschen in Paris.=20
Fuer uns ist klar: Wenn es dazu kommen sollte, dass es nicht weitergeht,
dass sich die Regierung nicht auf uns und unsere Forderungen zubewegt,
werden wir unseren Kampf weiterfuehren. Wir werden ihn noch haerter
fuehren als vorher. Dann wird die Regierung sehen, was sie davon hat. Sie
wird Schwierigkeiten haben, ihre Position zu halten.

Markus Goette ( Kreuzbergring 81 ( 37075 Goettingen
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