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Subject: John Hutnyk: Technocratic Dreamtime in Malaysia (German version)
From: pauline@metamute.COM (pauline)
Date: 21 Aug 1997 12:12:54 +0200


* * * * *

Technocratic Dreamtime in Malaysia

This essay outlines in shorter form the problematic of science parks,
the role of academe (especially anthropology) and indigenous peoples in
South and South East Asia which John Hutnyk spoke on yesterday
(20.8.1997)
at the WorkSpace.
(#audio file of talk available soon on IRS server#)...
(#a longer version of this essay will appear in mute9 Nov.97 in
English#)



Technokratische Traumzeit in Malaysia

- John Hutnyk

Technopolis, Wissenschaftspark, Technologie Stadt. Wenn man noch
keinen Kontakt zu dem furunkelartigen Wachstum hatte, das sich
langsam aber sicher im urbanen Lebensraum, und auch an vielen
Universitäten ausbreitet, und Malaysia die Heimat ist, dann ist es
jetzt
vielleicht an der Zeit, sich Gedanken über eine "high-tech"-Invasion zu
machen.
Das "Multimedia Super Corridor" (MSC) ist nur noch durch einen
Bauvertrag einen Schritt von der Realisierung entfernt.
Im Januar dieses Jahres, hat sich eine Gruppe "großer Denker" mit dem
Premierminister Datuk Seri Dr Mahathir Mohamad zu einer eigens
anberaumten Beratungssitzung in Los Angeles/ USA getroffen, um
nochmals die glanzvollen Vorschläge auszusortieren, die Kuala Lumpurs
Silhouette verwandeln könnten. Und wieder fließt Geld durch die
Bauindustrie.
Die großen Denker waren unter anderem CEOs und Direktoren
multinationaler Konzerne, wie Siemens, Netscape, Motorola, Sony,
Compaq, Sun, IBM und andere.
Der Professor des Vorsitzenden von UCLA war ebenfalls anwesend,
und auch Bill Gates war eingeladen, der aber letztendlich verhindert
war.
Die Diskussion war zweifelsohne gesellig.

Was bei diesem Redefest, zu dem der Premierminister und seine
Begleiter nach Los Angeles gekommen waren, bedacht werden sollte,
war ein integriertes, high-tech Entwicklungsprojekt, das Kuala Lumpur
und Umgebung - eine fünfzehn x fünfzig Kilometer Zone südlich der
Stadt - zu dem Informationszentrum Südostasiens machen soll. Riesige
Schlagzeilen kündeten die Zukunft in der "New Straits Times", der
"Star" und der "Sun" an. Die Reden des Premierministers und
unterstützende Echos anderer Minister verkündeten, daß das MSC-
Projekt "das gesamte Land mit den globalen Kräften in Einklang bringen
würde, die das Informationzeitalter formen."
Solch eine Harmonisierung mit dem Orchester des multinationalen
Informations-Unternehmen, ist wie gemacht für Lobeshymnen in der
Presse. Die Schlagzeilen rufen: "Globale Brücke zum
Informationszeitalter", "MSC ungeheuer mächtig, einzigartig" und
"Premierministers Besuch in die USA löst Aufregung aus". Wahrhaft
große Träume.

Aber was genau soll dieses Multimedia Super Corridor beinhalten, und
was sind die realen Aussichten seines Erfolges, und nach welchen
Kriterien soll es eingeschätzt und bewertet werden? Das Werbematerial
spart, wie erwartet, nicht mit Überschwenglichkeit.

"Malaysias Multimedia Super Corridor ist eine kühne Initiative , eine
Unternehmensbasis für Firmen, die führende multimediale Technologie
nutzen. Mit dem Ziel die Art das Geschäftsleben weltweit zu
revolutionieren, wird die MSC das ganze Potential der Multimedia
erschließen, indem bahnbrechende Cybergesetze und eine
außerordentliche Informations-Infrastruktur in einer physisch reizvollen
Umgebung integriert werden."

Die Schlüsselelemente des Vorschlags beinhalten Wissenschafts- und
Entwicklungsgruppierungen - im Grunde Forschungslabors und
Informationstechnologie Fabriken, nahe eines neuen Flughafens und
einer "Cyber-Stadt", die auch Einkaufszentren und Transportmittel zur
Verfügung stellt, in einer sicheren (jeder muß einen elektronischen , "
nationalen und multifunktionalen Ausweis" mit sich führen) und
attraktiven Gartenstadt.
Telemedizin, eine elektronische Regierung, volle Internet Verknüpfung
und spezifisch regulatorische kybernetische Persönlichkeiten treiben die
Werbung ebenfalls voran.
All dies wird überwacht von den zwei Beratungsinstitutionen der
Multimedia Development Corporation (MDC), die die Website
errichteten, und dem Beratungskomitee der "großen Denker".
Warum hat dieses Treffen in Beverly Hills stattgefunden? Nun,
offensichtlich ist die internationale Verbindbarkeit in KL (Kuala
Lumpur)
noch nicht in dem Maße vorhanden, um z.B. Gates (Microsoft) und
Gerstner (IBM) anzulocken. Ebenso flog auch Premierminister Mahathir
direkt von LA nach Japan, um dort an noch einem Vereinigungs-Lunch
auf hoher Ebene teilzunehmen. Es geht darum, Investoren anzuziehen,
oder vielmehr Pächter für die zu bauenden Forschungslabors. Man will
keinen leeren Korridor, also reißt man zu den Kunden. Eine offene
Einladung.

Eine aktuellere Untersuchung mit kritischer Auswertung von
Technologiestadtentwicklungen ist Manual Castells und Peter Halls Buch
von 1994: Technopoles of the World: The Making of 21st Century
Industrial Complexes Routledge, London. Als Einführung in die
Thematik ist dies eine wertvolle Quelle. Für jemanden, der Fragen zu
Forschungsenklaven und industriegetriebene Erweiterungen am KL-
Horizont stellen möchte, bietet es entsprechende wichtige Lektüre.
Castells und Hall sind nicht so skeptisch wie ich als Bremser sein mag,
aber sie sind eindeutig auf dem Zug aufgesprungen und haben den neuen
Technotraum einer Zukunftsstadt als eine bedeutende Veränderung des
Wesens der kapitalistischen Entwicklung erkannt. Heutzutage denken
alle Regierungswissenschaftler, glotzäugige Rektoren, nationale und
regionale Führer, daß dies unter den Bedingungen des globalen
Wettbewerbs, Absatzverfalls, der Krise und der skrupellosen
Umstrukturierung des Systems "für den Kapitalismus der einzige Weg
vorwärts sei.

Es gibt viele Fragen, die an eine technologische, durch Wissenschaft
vorangetriebene Umstrukturierung gestellt werden müssen. Die erste
Frage könnte sein, die Parameter für eine neumodische
wissenschaftsstadt zu bedenken: Im Kontext einer weltweiten
Umstrukturierung, z.B. die Auswirkungen auf Gemeinden der Gebiete,
in den solche Städte geplant sind. Die Auswirkungen auf die derzeitigen
Beschäftigten in einem zunehmend schmaler werdenden und
ausbeuterischen Fertigungssektor werden vermutlich schwerwiegend
sein, ganz abgesehen vom landwirtschaftkichen Sektor, wo Land für
Eigentumswohnungen aufgekauft wird. Sie sind es, die Teilzeit- oder
Aushilfsjobs übernehmen und als Hilfsarbeiter und Servicepersonal
werden fungieren müssen, in dieser high-tech Phantasie-Enklave,
zweifellos mit weniger vornehmen Unterkünften am Rande.
Es lohnt sich, mit Fragen nach den Auswirkungen auf die Menschen zu
beginnen, möglicherweise noch immer ein unüblicher Ansatz in
Entwicklungsdiskussionen, denn es erinnert einen daran zu fragen: Was
hat eigentlich Malaysia von solch einer Entwicklung? Malaysia hat
bislang weder die Infrastruktur, noch die Fachkräfte (in Bezug auf
Hochschulabsolventen), um die Labors gemäß der Traumvorstellung zu
füllen. Folglich würde die Anstellung der Malaysier sich auf den
Dienstleistungsbereich beschränken. Nun, in der Tat, zunächst gäbe es
emsige Bauaktivitäten, einhergehend mit der Ausbeutung eingewandeter
Arbeiter und daraus resultierenden Rassenproblemen, schlußendlich
aber blieben noch Arbeitsstellen für Reinigungskräfte und Portiers in
den
Fluren der Informationstechnologie.

Wer werden also die high-tech-Arbeiter sein? Eine Schicht von
Technokraten und Experten wird angeheuert werden müssen, teilweise
aus der malaysischen Elite, die in Stanford, London und Manchester
ausgebildet wurden. Die meisten wichtigen Posten werden jedoch,
zumindest anfänglich, von dem bereits vorhandenen Personal der
multinationalen Informations-Unternehmen besetzt werden. Die
importierten Arbeitskräfte werden das Leben Ausgebürgerter führen, mit
einem Status,nicht ganz weit entfernt, von der alten "Kolonial
Karriere",
welches stets Kennzeichen von Unternehmens-Weltreichen unter
imperialistischer Führung war.
Diese Punkte werden zahlreiche Nebeneffekte mit sich bringen. In
diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Auswirkungen bisherigen
technologischen Fortschritts in den alten Metropolen zu betrachten, und
sie den sich nun entwickelnden (neo) kolonialen Enklaven und den
besonderen Wirtschaftszonen gegenüberzustellen, zur Einschätzung
technisch bedingter Ausweitung der Ausbeutung in der dritten Welt und
der "off-shore" Produktionsstätten, die in Südostasien bereits vorhanden
sind. Warum ist es Premierminister Mahathirs Traum, die high-tech
Alternative zu wählen, um den Weg zu Superprofiten und spekulativer
Superausbeutung zum Vorteil seiner Anhänger noch weiter zu ebnen,
anstatt die Produktion für die lokalen Beteiligten an der regionalen
Wirtschaft auszuweiten? Sicherlich bringen doch Verkäufe von Gütern
des mittleren Bedarfs an ASEAN Partner strategisch-wirtschaftliche
Vorteile mit sich. Warum sind Wirtschaftsonderzonen jetzt nicht mehr
der bevorzugte Weg, die durch ein heikles Korridorabenteuer ersetzt
werden sollen? In den urbanen Metropolen ist dieser Prozess auch
schon im Gange, wo das Kapital sich neu formiert, in der Hoffnung, von
neuen technologischen Fortschritten und Errungenschaften zu profitieren.
Aber wie sich zum Beispiel bereits in Bezug auf Japan und Silicon Valley
gezeigt hat, garantieren kapitalistische Organisationen, daß
gewinnbringende Forschung und Entwicklung in den Stammsitzen der
Unternehmen verbleiben, während die Produktion und Zulieferung in die
Gegenden mit den günstigsten Produktionsbedingungen verlargert
werden. Auf Grund dieser Erkenntnis meint Mahathir vielleicht, daß es
durch die Anwerbung von high-tech-Forschung und Entwicklung nach
Malaysia Entwicklungsmöglichkeiten geben könnte. Das Problem ist,
daß weder die Bedingungen für so einen Transfer ganz ausgearbeitet
sind und es nichts gibt, was die Schlüsselelemente solcher Unternehmen
in den KL-Korridor locken könnte, noch sind die großzügigen
Steuererlässe, die Entwicklung der Infrrastruktur und andere staatlich
Förderungen so kalkuliert, um den Technologietransfer derart
sicherzustellen, daß Malaysia langfristig davon profitieren könnte. Dies
sind zumindest einige der Fragen die gestellt werden müssen.

Aber wir sollten das Projekt des Technologietransfers nicht zu schnell
verwerfen. Die Fragen nach den Kriterien, die die high-tech
Stadtentwicklung gelingen lassen, oder zumindest zu ein lohnenswerten
Risiko machen, müssen auf jeden Fall erörtert werden. Die
Betrachtungen haben dabei mehr mit der Kultur technologischer
Entwicklungen im Kapitalismus im Allgemeinen zu tun und
berücksichtigen nicht die Besonderheiten internationaler Arbeitsteilung
und Macht. Sie verdienen es jedoch durchdacht zu werden. Einige der
Fragen beinhalten solche Allgemeinheiten. Wie könnte technologische
Innovation am besten erreicht werden? Was ist erforderlich für
Synergien - das Konzept solcher Projekte, um eine optimale Mischung
von infrastruktureller Unterstützung, kreativem Personal, attraktiven
Umweltfaktoren und dem Funken, der die Ideen und Innovationen
zündet, zu erzielen? Wie verhält es sich mit Kreativität und dem
gefeierten "Innovationsmilieu", die schlagwortartigen Modeziele für
diese
science-fiction Enklaven? Wie sieht die bevorzugte Mischung von
Aktivitäten staatlicher Organe, der privaten Industrie und die
Unterstützung durch Universitäten aus? Welche regionalen und
historischen Faktoren spielen eine Rolle, um die Eignung solcher
Entwicklungen entweder in den alt eingesessenen Industriezentren oder
in sich neu entwickelnden kapitalistischen Wirtschaften festzustellen?
Wie wirken sich politische und wirtschaftliche Eventualitäten auf die
langfristigen Aussichten der Innovation aus? Was sind die politischen
Anforderungen? Ist es bloß eine Phantasie, die auf einigen wenigen
unvorhersehbaren Erfolgen beruht wie etwa in Silicon Valley,
Cambridge, oder München? Ist Technopolis eine vorrübergehende
Mode?
Was Castells und Halls Buch nicht zu zeigen vermag, ist, warum es zu
dieser Zeit wichtig ist, Investitionen finanzieller und ideologischer
Natur
zu tätigen, um die fortgeschrittenen Zentren der westlichen Produktion
als Produktionsstätten für high-tech Entwicklung in der dritten Welt neu
zu schaffen. Mahathir scheint seine Berater auf dieses Problem angesetzt
zu haben, jedoch ohne Unterstützung aus Industrie und Finanzwelt
scheint das Projekt überwältigend. Es gibt bereits ausreichend
Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen dem
Produktionsrückgang in den alten Industriezentren und der Ausdehnung
der Wirtschaftssonderzonen in der dritten Welt. Jedoch gibt es keinen
Nachweis darüber - eher für das Gegenteil -, daß moderne Forschung
und Entwicklung folgen werden. Die Krisentheorie im klassisch
marxistischem Sinne erklärt die Entwicklung von Forschungpotentialen in
den alten, kapitalistischen Zentren eher als Versuch, ein Sinken der
Profitrate durch die Umgestaltung der Produktionsmittel zu ungehen. Die
Wettbewerbsfähigkeit und zerstörerische Kreativität (die Firmen-
Zusammenschlüsse, der Verkauf von Firmen, die Übernahme von
Firmen und und Schließung) ist nur das äußere Anzeichen einer Krise.
Aber darüber wird in den strategischen Zentren der Firmensitze von
Gates in Los Angeles oder von Nobuyuki (CEO, Sony) in Tokio
entschieden und nicht, unglücklicherweise oder auch nicht, in Kuala
Lumpur.

In den Kapitalszentren geht man skrupellos vor, was den Wegfall alter
Produktions- und seiner institutionellen Formen betrifft. Im Westen
sehen wir zum Beispiel, wie der akademischen Balast in den
Universitäten ausgemistet wird und sie zu Anwendungs-Fabriken
gemacht werden, indem sie Bildung nach Übersee-an stets wachsende
Zahlen von dritte Welt Eliten, zu stets wachsenden Kosten verkaufen,
während Wissenschaftsparks und -städte nebenan aus dem Boden
schießen. Aus dem Staub dieser weggefallenen Produktionsformen im
Westen - wiederverwertbare Teile werden nach Übersee verfrachtet -
erwachsen neue Ansätze durch technologische Innovationen, die
Arbeits- und Produktionsformen sowie Herstellungstechniken
entwickeln, die wieder profitabel sind und einen wesentlich größeren
Anteile am Mehrwert erzeugen und sichern. Durch eine geschickte und
brutale Neuordnung der Märkte werden Vorteile an jene Kapitalisten
zurückzugeben, die genügend Vorraussicht und Visionen hatten, die
Möglichkeiten der Krise für sich zu nutzen. Aus den alten Labors der
Universitäten, beispielsweise, werden neue Unternehmen zeigen, welche
Resourcen und welches Wissen gerettet werden können, und sie werden
in neue Labors neben den alten ziehen, während die alten zu
Massenhörsälen umfunktioniert werden, um wieder Wissen zu
exportieren. Es sind diese neuen Laboratorien die Technikzentren des
21. Jahrhunderts, gelegen in Südkalifornien, im Tokyo-Osaka Gebiet
und entlang des Rheins von Basel bis Köln. In diesem Zusammenhang ist
es fast undenkbar, daß einige vorsichtig formulierte Reden in Beverly
Hills dem Außenposten Malaysia bereits zu diesem Zeitpunkt die
Konkurrenzfähigkeit bescheinigen. Der MSC hat schlicht und einfach
nicht die Kapitalresourcen im Rücken, um die zentralen
Kapitaltechnologien seiner Träume einzufangen.

Castell und Hall liefern kein theoretisches Gerüst, sondern bringen die
Geschichte vieler spezifischer Unternehmen. Die Arbeit liefert einiges
lehrreiches für Malaysias MSC, was im Zusammenhang globaler
Umstrukturierung und Malaysias Randposition im Machtkampf
betrachtet werden muß. Die weiteste Annäherung, die Hall und Castell
an eine allgemeine Formulierung finden, ist in diesem Zusammenhang
eine gestutzte Umarbeitung von Joseph Schumpters: "Die Theorie von
Güterkreislauf und komparativen Vorteil empfiehlt, entsprechend der
Wirtschaftsentwicklung sich aus den Industrien herauszuziehen, wo
andere effektiv mitstreiten können, und in solche einzusteigen, wo es
irgendeinen Vorteil gibt.
Vielleicht haben Mahathirs Berater dies gelesen und meinen, daß
Malaysia vielleicht in der regionalen Produktion nicht wettbewerbsfähig
sei. Es ist ein plausibles Argument, aber nach Berücksichtigung mancher
Beispiele, gibt es keine Garantie, daß die angebotene Alternative
überhaupt besser ist. In Technopolen der Welt, konzentrieren sich die
Autoren auf ziemlich detaillierte Diskussionen über individuelle
Projekte,
und dies macht Sinn, denke ich, weil es diesen Zusammenhang ebenso
erlaubt, zu zeigen, wie regionale Manifestationen dieser
Umstrukturierung stattfinden und sind deshalb relevant für andere
Beispiele mit denen manche Leser vielleicht mehr direkte Erfahrung
haben. Sicherlich ist deren Buch an einen weitgefächerten Markt
gerichtet, welcher auch Kritiker und Befürworter dieser Entwicklungen
mit einschließt. Nichtsdestotrotz, angesichts der grundlegenden Zwänge,
denen solche Entwicklungen unterliegen, hat die Analyse wenig
Unterstützung für MSC zu bieten.

Was also sind die Bedingungen für den Start von Mahahthirs geplantem
Traum? Die Aussichten für Synergie und innovativ-kreative hyper
Erfindungen beruhen auf der Verlagerung von Forschungs- und
Entwicklungsabteilungen der Unternehmen, was wohl eher nicht
passieren wird. Das "Innovationsmilieu", daß das erfolgreiche Wagnis
antreibt, scheint noch nicht im malaysischen Plan zu existieren -
obgleich
es eine super Idee - eine Cyberversity zu bauen - in den Vorschlägen
gibt. Die internationale Arbeitsteilung, die Tagesordnung und der
Opportunismus der neo-imperialistischen Weltordnung, das kurzfristige
Interesse des Monopolkapitals und die Unfähigkeit, Kapital und
Technologie zu bewegen, nach Malaysia umzusiedeln, nicht eines dieser
Gesichtspunkte werden in der Werbe- oder Planungsveröffentlichungen
angesprochen. In der Realität liebt die internationale Wirtschaft solche
Projekte außerhalb der bereits verwurzelten Zentren nicht. Die Kosten
für den malaysischen Staat, und somit für die öffentliche Brieftasche,
wird sehr wahrscheinlich höher sein, als das, was kurz- oder langfristig
an Gewinn gemacht werden kann.
Was bleibt dann eigentlich noch übrig, um die große Begeisterung für
das MSC-Projekt zu erklären?
Wenn wir zurückgehn zu Castells und Halls Buch, können dort durchaus
Lehren für Malaysia gezogen werden. Die Bedeutung staatlicher
Unterstützung erweist sich als zwingend notwendig, da eine solche
Entwicklung ohne beträchtliche Zugeständnisse und Hilfen durch eine
unterstützenden Verwaltung auskommt. Nationale und regionale
Regierungen, die den Unternehmen Hilfe im Verwaltungs- und
Verkehrsbereich leisten, bieten ein attraktives Umfeld für das Kapital.
Aus Sicht der Industrie ist es ihr sehr angenehm, daß viele der
entstehenden Kosten und Schwierigkeiten einer neuen
Produktgeneration und Entwicklung durch Regierungsunterstützung
vereinfacht werden - und so wird das Geld der malaysischen
Steuerzahler in den Korridor geworfen, der zum Traum oder zum Tor
des Informationshimmels führt - die nötigen Produktionskosten werden
dem öffentlichen Portemonaie aufgebürdet. Ähnlich wird auch die
Unterstützung benachbarter Hochschulen als wichtig herausgestellt, da
auf diese Weise eine Schar von Forschern auf der öffentlichen
Gehaltsliste bleibt, und obwohl Labors, Ausstattung usw. im Zuge des
Wachsens der Technologiestadt oft überholt sind, ist die Zugänglichkeit
universitärer Labors und Bibliotheken eine praktische und wiedrum eine
öffentliche Angelegenheit. Dies umso mehr, wenn die Forscher mobil
und importierte Kopfarbeiter sind. Ohne daß im Buch eine Liste
aufgestellt wird, gibt es eine Unmenge von Dingen, die dem Bewohner
der Wissenschafts-Techno-Hyper-Cyber-Zukunfts-Stadt als
Annehmlichkeiten geboten werden müßten, wie z.B. Verkehrsmittel,
Straßen, Autobahnen, Tankstellen, Reperatur- und andere
Dienstleistungen, rechtliche Einrichtungen, Cafés,
Einkaufsmöglichkeiten,
Freizeiteinrichtungen, sowie Reinigungsarbeiten, Kindergärten und
Schulen, Krankenpflege und sogar sexuelle Dienstleistungen.

Ein weiteres Kriterium des Erfolges eines Techno-Parks ist die
Kapazität der Region, um das besagte "Innovationsmilieu" zu schaffen,
damit die technologischen Neuerungen gedeihen können. Dies ist ein
ziemliches mystisches Konzept, irgendwie verwandt mit dem Begriff der
Synergie, welches sich auf die Interaktion und gegenseitige Stimulierung
von Wissenschaft und Forschern in einer bestimmten Umgebung bezieht.
Ist dieses Konzept in Malaysia zu diesem Zeitpunkt mit dem Angebot an
Resourcen und dem Stand der infrastrukturellen Entwicklung
lebensfähig,? Vielleicht. Aber nicht uneingeschränkt. Abgesehen vom
Innovationsmilieu und der Synergie, gibt es noch Fragen danach, welche
Arbeiter für den Korridor eingestellt werden sollen. Wird die Anstellung
von beispielsweise Frauen und jüngeren Hochschulabgängern das
kreative Milieu günstig beeinflussen, und das bei vergleichsweise
niedrigeren Kosten? Es stellen sich hier auch schwierige kulturelle
Fragen, und wenn man die regressive Sozialpolitik beachtet, die
Mahathirs Regierung manchmal verfolgt, dann gibt es keine Gründe die
Fragen von Castell und Hall zu verwerfen.

Wenn der Gebrauch von Technologie den Fortschritt weiterer kreativer
Technologie vorantreibt, aber nur dort, wo dieser Gebrauch angepasst
ist, und es einen Umgebung gibt, in der eine solche Anpassung ständig
stattfindet, dann wird die Kultur in Bezug auf Innovation und
Entwicklung in höchstem Maße wichtig.

Auf jeden Fall erfordert eine anpassungsfähige Einstellung gegenüber
Technologie eine aktive Beteilung in der Produktion, was vermultich im
malaysischen Plan auf lange Sicht nicht durchgehalten werden kann. Es
werden viele Experten mit Kurzzeitvertägen die Korridore füllen, und
trotz besonderer Visa-Bedingungen - werden sie wahrscheinlich
kurzfristig wieder das Projekt verlassen. Dann ist es eher
unwahrscheinlich, daß solche Experten angesichts von Geheimhaltung
bei Erfindungen usw. ihr spezielles Fachwissen weitergeben werden,
wenn sie ja doch bald wieder gehen. Für Castell und Hall ist kreative
Innovation etwas, was man eher in ältern städtischen Gegenden findet
als in neuen, eher in aktiven und sich verändernde, produktiven Zonen
als in stagnierenden, sich zurückentwickelnden oder reinen
Produktionszonen. Und genau hier ist der Haken. Ohne einen bereits
bestehenden Informationssektor, einer Innovationsgeschichte und
erfolgreicher Entwicklung in diesem Bereich, gibt es weniger Chancen
auf "Milieu" und "Synergie", also auf tatsächlichen Erfolg. Der Korridor
kann gebaut werden, die Vertragspartner können bezahlt werden, aber
die Auszahlung könnte nicht kommen, zumindest für die Malaysier im
Allgemeinen. Die Frage nach dem Bau wirft wieder die Frage danach
auf, wem das Projekt dient. Denen, die Profit aus der Anstellung von
illegalen Arbeitskräften herausschlagen? Was gibt?

Der malaysische MSC ist gute Nachricht für alle diejenigen, die nur eine
rosige Zukunft für Technologie am Horizont sehen. Es gibt ein Dutzend
und mehr solcher Phantasie-Projekte als Botschafter des neuen Techno-
Zeitalters. Unter denen, die zu Gunsten der Synergie, den merkwürdigen
Überschneidungspunkt von Wissenschaft und "attraktivem" Design der
Umgebung aufgreifen, ist jener der Multimediagesellschaft Mass Media
Interactive Sdn Bhd (MMI), die sich dem MSC anschließen und
während der Commonwealth Spiele 1998 multimediale
Informationskiosks zur Verfügung stellen will.

Mahathir sagte in seiner einleitenden Rede, daß mit dem MSC "die
sorgfältige Errichtung einer Region mit einem Umfeld gestaltet wird, das
besonders darauf ausgerichtet ist, den Anforderungen und Bedürfnisssen
der führenden Unternehmen zu entsprechen, um die Früchte des
Informationszeitalters in Asien ernten zu können". Somit sind die
Aussichten des MSC nur für diejenigen vielversprechend, die
einspringen wollen, um eine schnelle Mark zu machen. Der Korridor
wird ebenso wahrscheinlich ein Wegbereiter für neo-koloniale
Geschäfte, wie üblicherweise das eingehalten wird, was versprochen
wurde. Wer wird es bauen, wenn nicht die Wanderarbeiter, die in
Malaysia (und weltweit) immer noch so schlecht behandelt werden. Wer
wird dort die Dienstleistungen vollbringen, wenn nicht die Aushilfen und
die Teilzeitarbeiter, die so schlecht entlohnt werden, sowohl in
Malaysia,
als auch weltweit? Wer......?

Die guten Neuigkeiten kommen in einem fort. Mahathir betont den
Punkt in einem weiteren, gut konstruierten Schlußsatz: "Ich sehe den
MSC als einen globalen Förderer des Informationszeitalters, ein
sorgfältig entwickelter Mechanismus, der gegenseitige Bereicherung von
Unternehmen und Ländern ermöglicht, wobei führende Technologien
und eine grenzenlose Welt genutzt werden."

Eine grenzenloser Globus des Profitmachens ist kein Spaß, weder für
Bremser noch für solche, die dies nur als einen weiteren Trick in der
international Arbeits- und Wohlstandsteilung sehen. Die Aussichten sind
noch schwammig und von diesem Blickwinkel aus, selbst wenn man
dem ganzen Wahn glaubt, können die wirtschaftlichen und sozialen
Implikationen und Veränderungen, die mit dieser Entwicklung
einhergehen, nicht einfach die nächsten zehn oder zwanzig Jahre außer
Acht gelassen werden, die notwendig sind, um eine zuverlässige
Auswertung zu machen. Die Auswirkungen müssen jetzt abgeschätzt
werden, die Kritik ständig vorgebracht und umgesetzt und die Fallen und
Disfunktionen offengelgt werden.
Zum Überdenken dieser Wissensenklave der Unternehmen bedarf es
dringend Resourcen. Nicht durch bloße anti-techno-Kampagenen, aber
sicherlich anti-Boss Kampagnen. Solche Entwicklungen können nicht
einfach den Vagheiten eines wilden Marktes überlassen werden. Die
Zukunft wird in Erfüllung gehen.

<John.Hutnyk@urz.uni-heidelberg.de>
Nomadic Action Group
Übersetzung aus dem Englischen von Nicola Mackin.
Draft translation - text published in Sudost-Asien Newsletter 1997 (1),
Essen,
Deutschland.
New Straits Times 18.1.1997
Premierminister Mahathirs Rede in LA vom 14.1.1997
s. Webpage
Castells und Hall (1994), 223
Castell und Hall(1994), 6
Hamisah Hamid MDC Web Page

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