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Subject: Boris Groendahl 2nd article on the German Infrastructure
From: marleen <marleen@waag.org>
Date: Wed, 16 Jul 1997 20:32:29 METDST


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Subject: spiegel online texts / Date: Fri, 11 Jul 97 16:27:29 +0200
From: Boris Groendahl <boris@well.com>

Zwerge mit Rückgrat

Die deutschen Internet-Backbone-Betreiber sehen sich gerne als kleine,
junge, dynamische, wachstumsträchtige Firmen, denen sich Dinosaurier
wie der DFN-Verein und die Deutsche Telekom bei jeder Gelegenheit in
den Weg stellen. Warum das nur die halbe Wahrheit ist, wer hinter dem
Handel mit der Internetconnectivity in Deutschland steht und woher
diese Firmen kommen, erklärt Boris Gröndahl.


Längst noch nicht ist klar, welche Investitionen in das Internet sich
langfristig auszahlen werden. Sicher ist nur: Irgendwo müssen die 100
Millionen Mark hinfließen, die deutsche Firmen laut einem Münchener
Nachrichtenmagazin allein im letzten Jahr ins Internet gesteckt haben
sollen.

Eine der Senken, in die die Millionen hineinlaufen, sind
naheliegenderweise die Firmen, die das Netz selbst bereitstellen.
Allgemein geläufig sind die Namen der großen Onlinedienste T-Online
der Deutschen Telekom AG, das Joint venture AOL/Bertelsmann und
Compuserve, eine Tochter des US-Steuerberatungskonzerns HR Block.

Diese Dienste bringen ohne Zweifel eine Menge User ins Netz und eine
Menge Firmen online, wenn auch nicht ins Internet. Fragt man jedoch
nach dem Backbone, dem "Rückgrat", wie in den USA die Lebensadern des
Netzes heißen, dann treten plötzlich Firmennamen auf, die weit weniger
bekannt sind, und die doch einen Markt im Wert von etwa 150 bis 200
Millionen Mark repräsentieren.

Was sind das für Firmen, die in Deutschland das Internet am Laufen
halten? Wie haben sie angefangen? Wem gehören sie?

Die beiden Veteranen unter den Internet Providern sind bis heute mit
führend im Bereich der Anbindung von Firmen und Großkunden an das
Internet: Die _EUnet Deutschland GmbH_ und _NTG/Xlink_.

Beide kommen aus dem universitären Umfeld, mit dem man sich heute so
trefflich streitet: Xlink entstand an der Universität Karlsruhe, die
1984 die erste Verbindung über das Internet Protocol mit dem
amerikanischen Internet aufnahm, EUnet stand ursprünglich mal für das
European Unix Network, dessen deutscher Knoten an der Uni Dortmund
ansässig war.

Und beide sind längst von Uni-Absprengseln zu Teilen internationaler
Konzerne gereift: EUnet gehört zu 100 Prozent dem US-Backbone-Provider
UUNet, der wiederum dem Telekommunikationskonzern WorldCom
zuzurechnen ist, einem der größten der USA. UUNet ist nebenbei auch
der Hausprovider des Microsoft Network, eine Aufgabe, die
dementsprechend in Deutschland EUnet übernommen hat. Xlink firmiert
inzwischen als Geschäftsbereich der NTG Netzwerk und Telematic GmbH,
einer Tochter des französischen Konzerns Bull.

Lange Zeit konnten EUnet und Xlink den deutschen Markt unter sich
aufteilen, bis 1994 eine Firma namens _MAZ_ antrat, ihnen Konkurrenz
zu machen. Auch MAZ (Mikroelektronik Anwendungszentrum Hamburg GmbH)
fiel nicht vom Himmel -- es handelt sich dabei um ein
Forschungsunternehmen im Besitz der Stadt Hamburg. MAZ mischte den
deutschen Markt mit den "netsurf"-accounts für Privatkunden zum
Festpreis von 35 Mark gehörig auf.

1995 verkaufte die Stadt Hamburg die MAZ-Abteilung Internet
mehrheitlich an die Thyssen Telecom AG, die unter anderem auch das
Mobiltelefonnetz E-Plus betreibt; seitdem agiert die Gesellschaft
unter dem Namen _IS Internet Services GmbH_ und hat sich ein großes
Stück des Marktes sichern können -- darunter die Website, auf der Sie
sich gerade befinden.

Halb staatlicher Stammbaum, großkapitalistischer Hintergrund -- so
richtig passen wollen diese drei nicht zum Mythos von den kleinen
dynamischen Internet-Jungfirmen, die mit cleveren Ideen neue Märkte
erobern.

Die ersten Firmen, auf die eine solche Kategorisierung eher zutrifft,
betraten 1994/95 mit _Nacamar Data Communications GmbH_ und dem
Verbund _Contrib.Net_ die Szenerie, der sich inzwischen wieder in die
zwei Unternehmen GTN und TCP/IP GmbH aufgeteilt hat. Den jungen wilden
Firmentyp findet man erst wieder recht häufig bei den lokalen
Internet Providern, die ihren Netzzugang bei einem dieser großen
Provider einkaufen.

Schließlich warfen sich im vergangenen Jahr noch zwei Giganten auf den
Markt für Internet-Verbindungen: Die Bertelsmann AG gründete zusammen
mit der Daimler-Benz-Tocher debis die _mediaWays GmbH_, die
insbesondere das Netzwerk für den deutschen Dienst von AOL
bereitstellt. Und die unvermeidliche Deutsche Telekom hat inzwischen
auch ihren eigenen Backbone namens _T-Inter_ (nicht zu verwechseln mit
dem Angebot T-Online). T-Inter beliefert beispielsweise den Aldi der
Internetzugänge, metronet.

überhaupt, die Telekom.

Sie ist natürlich der lachende Dritte bei allem, was in Deutschland in
Sachen Internet unternommen wird. Keiner der Internet Provider
buddelt für seine Anbindungen die Straße auf und verlegt Leitungen.
Die benötigten Kabel werden gemietet -- und praktisch ist der einzig
mögliche Vermieter die Deutsche Telekom. Der im Geschäftskundenbereich
ja prinzipiell bereits mögliche Wettbewerb findet derzeit einfach
nicht statt -- die Konkurrenten der Telekom sind noch nicht so weit.

Noch bequemer für die Telekom ist der passive Nutzen, den sie aus dem
Internetboom zieht -- die Telefongebühren. Der Berliner Provider
Interactive Networx hat ermittelt, daß seine 10.000 Kunden im Monat
für eine halbe Million Mark Ortsgespräche für die Internetnutzung
führen. Rechnet man das auf die ganze Republik ungefähr hoch, so kommt
man auf ca. 50 bis 100 Millionen Mark Gebühreneinnahmen jährlich. Und
das wohlgemerkt, ohne einen Pfennig extra investiert zu haben. Die
T-Aktionäre wird's freuen.


------ Boris Groendahl.
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