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Subject: Boris Groendahl 1th article on the German Infrastructure
From: marleen <marleen@waag.org>
Date: Wed, 16 Jul 1997 20:36:35 METDST


* * * * *

Subject: spiegel online texts / Date: Fri, 11 Jul 97 16:27:29 +0200
From: Boris Groendahl <boris@well.com>

Netzköpfe gegen Eierköpfe

Auch an Universitäten wird gerne "Spiegel online" gelesen. Müssen die
Datenpäckchen von www.spiegel.de bald wieder den weiten Weg über die
USA nehmen, um an den deutschen Hochschulen anzukommen? Wenn der
Streit zwischen dem Deutschen Forschungsnetz und den kommerziellen
Internetprovidern nicht beigelegt wird, dann könnte das in Kürze der
Fall sein.

Die großen deutschen Internet Provider sind nicht unbedingt das, was
man dicke Freunde nennen würde. Der Markt[1] für die Bereitstellung
von Internetverbindungen en gros und en dŽtail ist umkämpft, die
Margen nicht allzu hoch und die zur Zeit noch gängigen Wachstumsraten
von 100 Prozent werden auch nicht allezeit durchzuhalten sein.

Trotz aller Konkurrenz: bei zwei Themen kommt den kommerziellen
Netzwerkern kollektiv die Galle hoch. Die Abneigung gegen die Deutsche
Telekom[2] und ihre hohen Preise teilen sie noch mit dem
überwiegenden Rest der Bevölkerung (minus den T-Aktionären[3]).

Doch in den letzten Wochen eskalierte ein Streit an ganz anderer
Front, der gravierende Folgen für die Zukunft des Internet in
Deutschland haben könnte: Die führenden kommerziellen Provider (EUnet,
NTG/Xlink, IS Internet Services, Nacamar, ECRC u.a.) kündigten im
Juni zum Jahresende ihre Verträge mit dem Verein zur Förderung eines
Deutschen Forschungsnetzes (DFN)[4].

Der DFN betreibt das "Wissenschaftsnetzwerk" WiN[5], das Datennetz der
deutschen Hochschulen. Und er betreibe die "Gefährdung von
Arbeitsplätzen mittels deutschen Steuergeldern", meint Bernhard
Biedermann, Geschäftsführer von IS Internet Services[6], einem der
größten deutschen Internet Provider (u.a. der von "Spiegel online").

Der Grund für die starken Worte ist eine zunächst banal erscheinende
Angelegenheit: die Regelung des Datenaustausches zwischen dem WiN und
den Netzwerken der kommerziellen Provider. Dieses sogenannte Peering
ist das, was aus dem Internet erst das "Netz der Netze" macht. In
zentralen Knoten werden die Datenpakete zwischen den Teilbereichen,
aus denen das Internet besteht, ausgetauscht. Erst das Peering
eröglicht es, von überall her auf das gesamte Netz zuzugreifen, nicht
nur auf das Angebot, das der eigene Provider gerade bereithält.

Das Peering wird üblicherweise, ganz seinem Namen (peer = Kumpel) und
der Tradition des Internet gemäß, kooperativ abgerechnet: Alle an
einen Knoten angeschlossenen Netze bezahlen gemeinsam dessen
Unterhalt. Schließlich profitiert die gesamte Gemeinde von der
Einrichtung. So wird es etwa beim Austauschpunkt DE-CIX[7] der
kommerziellen deutschen Provider in Frankfurt gehandhabt.

Aber nicht beim DFN. "Der DFN ist das einzige Wissenschaftsnetz
weltweit, das von den Providern Gebühren für die Zusammenschaltung der
Netze verlangt", faßt Klaus Landefeld, Chef des Providers Nacamar[8]
im hessischen Dreieich, den Grund für den €rger der deutschen
Datentransporteure zusammen.

DFN-Geschäftsführer Klaus-Eckart Maass stimmt dem freimütig zu. Bei
der Anbindung der Provider an das WiN handele es sich ja auch gar
nicht um ein Zusammenschalten von Netzen. Die Provider (besser gesagt:
deren Kunden) seien vielmehr an dem Netz selbst, an den Ergebnissen
der Universitätsforschung interessiert, meint Maass, und deshalb
_Nutzer_ des WiN, genau wie die dort angeschlossenen Hochschulen und
Institutionen.

Diese Sichtweise des DFN-Leiters verträgt sich allerdings nicht mit
der tatsächlichen Richtung der Datenströme. Im Mai 1997 etwa standen
den 134 Gigabyte, die vom Forschungsnetz beispielsweise zu Nacamar
wanderten, 264 Gigabyte gegenüber, die die Nutzer des WiN von diesem
Provider abriefen[9]. Das Interesse der Außenwelt an der deutschen
Forschung scheint gerade mal halb so groß wie umgekehrt, jedenfalls
gemessen in Datenmengen.

Auch die Auffassung des DFN, die deutschen Provider seien
zahlungspflichtige Nutzer des WiN, läßt sich nur schwer damit zur
Deckung bringen, daß das WiN auf der anderen Seite zwei fette
transatlantische Leitungen mit einer Kapazität von je 45 Megabyte pro
Sekunde von dem US-Backbone-Provider MCI gemietet hat. Hier werde mit
zweierlei Maß gemessen, kritisiert Peter Zimmer, Chef von EUnet[10],
dem Veteran unter den deutschen Providern: Warum er in der Logik des
DFN Nutzer sei, der US-Provider aber als Dienstleister angesehen
werde, dessen Dienste dem DFN 23 Millionen Mark im Jahr wert seien,
will ihm nicht in den Kopf.

Bereits heute wird wegen der unzureichenden Anbindung des WiN an die
kommerziellen Anbieter ein erheblicher Bestandteil dieser
transatlantischen Bandbreite für Datenverkehr genutzt, der eigentlich
gleich in Deutschland bleiben könnte. "Subvention von
US-Telecom-Konzernen mit deutschen Steuergeldern", nennt das Bernhard
Biedermann.

Allerdings mit deutschen Steuergeldern subventioniert ist der DFN
selbst, der von Forschungsminister Rüttgers 80 Millionen Mark für den
Ausbau zum B-Win (Breitband-WiN) 1996-98 erhalten hat. Im Ergebnis
dieses Upgrades unterhält das WiN den dicksten Internetbackbone in
Deutschland -- mit bis zu 155 Megabyte pro Sekunde. Angesichts dieses
verlockenden Angebots hegen die Provider denn auch einen weiteren
Verdacht: einige Hochschulen würden sich in Zukunft die Gelegenheit
nicht entgehen lassen, in Zeiten knapper Haushalte die
Universitätskasse dadurch aufzubessern, daß man selbst als Provider
auftritt. Bereits heute bedienen sich forschungsnahe Firmen wie der
Daimler-Benz-Konzern und zahlreiche Chemie- und Pharmaunternehmen
(Schering, Merck) durch Kooperationen mit Hochschulen der großzügigen
Bandbreite des WiN.

Der eigene Anschluß ans B-WiN hätte für die privaten Provider, die zur
Zeit noch am älteren Schmalspur-WiN hängen, nochmals eine gesalzene
Preiserhöhung bedeutet. Auf der DFN-Mitgliederversammlung im Juni
machten sie darum einen letzten Versuch, den Anschluß des DFN an den
Austauschpunkt DE-CIX zu bewirken. Die Professoren freilich, gestählt
durch den Gremienkrieg an den Hochschulen, taktierten die Provider
aus. Es kam zu einer knappen Ablehnung des Vorschlags bei vielen
Enthaltungen.

Der eigene Anschluß ans B-WiN hätte für die privaten Provider, die zur
Zeit noch am ohnehin überalteten älteren Schmalspur-WiN X.25 hängen,
nochmals eine gesalzene Preiserhöhung bedeutet. Auf der
DFN-Mitgliederversammlung im Juni machten sie darum einen letzten
Versuch, den Anschluß des DFN an den Austauschpunkt DE-CIX zu
bewirken. Die Professoren freilich, gestählt durch den Gremienkrieg an
den Hochschulen, taktierten die Provider aus. Es kam zu einer knappen
Ablehnung des Vorschlags bei vielen Enthaltungen.

In der Folge kündigten die Provider ihre bestehenden Verträge mit dem
DFN zum Jahresende. Sollte es nicht noch zu einer Einigung kommen,
wäre die Folge, daß der Datenaustausch zwischen dem WiN und dem Rest
des deutschen Internet nurmehr über die USA möglich ist. Erhebliche
Geschwindigkeitseinbußen und höhere Kosten wären für alle Beteiligten
damit verbunden.

Trotz der Drohgebärden der Provider läßt sich Klaus-Eckart Maass nicht
aus der Ruhe bringen. Er habe keinen Streit mit den Providern,
versichert er. Gerade habe er einen neuen Vorschlag für deren Anschluß
ans B-WiN ausgearbeitet, der den Beteiligten vermutlich in der
nächsten Woche zugehen werde. Dann werde man sich schon
zusammenraufen.

Boris Gröndahl[11].

[1] Verweis auf den Hintergrundartikel
[2] http://www.dtag.de
[3] http://www.dtag.de/aktuell/aktion/index.htm
[4] http://www.dfn.de
[5] http://www.dfn.de/win
[6] http://www.is-europe.net
[7] http://www.eco.de/de-cix.htm
[8] http://www.nacamar.de
[9] http://www.dfn.de/win/allinfo/statistik/x25win/stat9705.html
[10] http://www.eunet.de
[11] boris@well.com